Gedenkstättenfahrt

gdsf22_2.jpg Im zweiten Jahr infolge nahmen 25 ausgewählte Schüler*innen der Klassenstufe 11 und 12 gemeinsam mit einer Geschichtslehrerin und einem Sozialkundelehrer vom 22.08.2022 bis zum 26.08.2022 an der Gedenkstättenfahrt zum ehemaligen Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz in Polen teil. Die Fahrt fand abermals mit Unterstützung der Europäischen Akademie im Rahmen des Programms „Jugend erinnert“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend statt. Sowohl die Unterbringung als auch das gesamte Programm wurden durch die Europäische Akademie organisiert. Die Schüler*innen erfuhren an drei ganzen Tagen ein intensives Programm. Es wurden Krakau und Oświęcim besichtigt, das Stammlager Auschwitz sowie das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau besucht, das Erlebte um Workshops ergänzt und dabei immer wieder Raum und Zeit für Gespräche und Reflektion geboten.
Im Folgenden berichten die Schüler*innen selbst von ihren Erlebnissen und Eindrücken der Reise.

 

Dienstag - Krakau
An unserem ersten ganzen Tag, ging es für uns bereits früh morgens los nach Krakau. In Krakau angekommen gingen wir in das Jüdische Museum, welches im berühmten Jüdischen Viertel der Stadt liegt.

Zeitzeugengespräch
Dort hatten wir zunächst ein Zeitzeugengespräch mit Lidia Maksymowicz. Sie berichtete uns über ihre schreckliche Geschichte - was sie und ihre Familie im Holocaust durchmachen mussten.
Bereits mit drei Jahren wurde sie mit ihrer Mutter und ihren Großeltern aus Weißrussland nach Auschwitz-Birkenau ins Vernichtungslager deportiert.
Obwohl sie so jung war, kann sie sich an viele Sachen erinnern. Sie erzählte, wie schrecklich das Eintreffen an der Rampe in Birkenau ablief. Dort fand die Selektion statt, wo sie auch ihre Großeltern, welche sofort zu den Krematorien gebracht wurden, das letzte Mal sah.
Zu diesem Zeitpunkt konnte sie noch bei ihrer Mutter sein, dann aber wurden allen Frauen die Haaren abrasiert und von da an fiel es den Kindern schwer, ihre eigenen Mütter zu erkennen.
Schließlich kam es zu dem Moment, der uns alle sehr schockiert hat. Sie und alle anderen neuen Gefangenen verloren schließlich ihre eigene Identität und wurden zu Nummern. Sie zeigte uns ihr Tattoo, was den Gefangenen auf eine sehr schmerzhafte Weise zugefügt wurde. Sie berichtete uns davon, dass sie sich nicht an das Gesicht ihrer Mutter erinnern konnte, welche bei ihrer Arbeit außerhalb des Lagers heimlich Lebensmittel hineinschmuggelte und nachts ihrer Tochter in die Kinderbaracke brachte, da sie nur noch ihre Hände sah.
In der Zeit im Lager kam es oft dazu, dass Dr. Mengele Versuche an den Kindern in den Baracken durchführen wollte, weshalb sich auch Lidia an schmerzhafte Spritzen mit qualvollen Folgen erinnern kann und weiß, dass sie diese Versuche nur überlebte, weil sie ein sehr zuvor ein starkes und gesundes Mädchen gewesen sei.
Am 27. Januar 1945 hatte der Albtraum für Lidia doch endlich ein Ende und sie wurde im Lager durch die Rote Armee befreit und von einer polnischen Familie adoptiert. Nach langer Zeit, als sie bereits volljährig war, begann sie nach ihrer leiblichen Mutter zu suchen, um etwas über ihre Herkunft zu erfahren. Und tatsächlich - sie fand sie. Sie erfuhr, dass sie ursprünglich aus Weißrussland stammte und ihre Mutter vor der Befreiung der Lager auf einen Todesmarsch geschickt wurde, bei dem sie allerdings gerettet werden konnte. Von da an hielt sie den Kontakt mit ihrer Mutter.

Nach dem Zeitzeugengespräch gab es eine Mittagspause, in der wir traditionelle polnische Gerichte testen konnten.

Stadtführung in Krakau
Anschließend begann unsere Stadtführung durch Krakau, beginnend mit dem jüdischen Viertel und dem Besuch einer Synagoge mit einem erhaltenen jüdischen Friedhof. Auf dem Rundgang lernten wir viel über die Traditionen im Judentum, wie zum Beispiel das Tragen einer Kippa durch die Jungen, beim Betreten einer Synagoge. Auch, dass die Frauen und Männer in getrennten Räumen beten, war für uns neu. Besonders fiel uns auf, dass auf Jüdischen Friedhöfen Steine auf die Gräber gelegt werden, um den Verstorbenen zu gedenken.

gdsf22 6

Nach dem Besuch der Synagoge ging es für uns zum Ghettoviertel entlang der Ghettomauer, welche die gleiche Form wie die Grabsteine auf dem Friedhof hatte. Angekommen auf dem großen Umschlagplatz im Ghetto, sahen wir das große Mahnmal, bestehend aus Stühlen, die als eine Lehre gelten sollen. Der Umschlagplatz war der letzte Ort, auf dem sich die Juden damals versammeln mussten, bevor sie in die Konzentrationslager gebracht wurden.

Vom Ghettoviertel aus gingen wir zur alten Fabrik Oskar Schindlers, welche auch als Drehort vom bekannten Film „Schindlers Liste“ genutzt wurde. Wir haben uns das große Tor und die Fabrik von außen angesehen. An den Fenstern hängen ganz viele Bilder von den Juden, die Schindler durch die Arbeit in seiner Fabrik vor den Verbrechen der Nationalsozialisten retten konnte. Nach diesem lehrreichen und auch emotionalen Tag hatten wir noch etwas Freizeit in Krakau, bevor es Abends zurück ins Hotel nach Oświęcim ging.

Mittwoch - Jüdisches Zentrum und Stammlager Auschwitz
Am Mittwoch konnten wir etwas später in den Tag starten und begannen diesen mit dem Besuch des Jüdischen Zentrums in Oświęcim. Dabei besuchten wir eine weitere Synagoge, die auch die einzige erhaltene Synagoge in Oświęcim nach dem Holocaust ist. Von da aus, gab es eine kurze Stadtführung vorbei am ehemaligen Standort der größten zerstörten Synagoge in Oświęcim und dem ehemaligen Marktplatz der Stadt. Zum Schluss besuchten wir den Jüdischen Friedhof der Stadt und hatten dort etwas Zeit uns umzuschauen.

Nach einer kurzen Mittagspause ging es für uns weiter nach Auschwitz ins Stammlager. Dort ging es zunächst durch eine Sicherheitskontrolle und wir wurden mit Kopfhörern ausgestattet, um unsere Guide besser zu verstehen. Nun startete unsere vierstündige Führung. Gleich zu Beginn, betraten wir das Stammlager durch das „berühmte“ Tor mit der Aufschrift: „Arbeit macht Frei“. Bei der Führung ging es durch viele Blöcke, die heutzutage als Ausstellung wie ein Museum genutzt werden. Dabei sahen wir einige erhaltene Gegenstände wie Koffer, Schuhe und Prothesen der damaligen Gefangenen. Besonders erschreckend waren hierbei die etwa zwei Tonnen Haare, die die ausgestellt wurden, aber auch die Kinderschuhe berührten uns sehr. 
Der Ort sah im Ganzen aus wie ein großes Dorf, idyllisch mit vielen Bäumen, jedoch wurde vor allem anhand von alten Kinderzeichnungen deutlich, was für grausame Taten dort begangen wurden. Vor allem schockierten uns die vielen Bilder der Häftlinge. Durch Name, Datum der Ankunft und Sterbedatum wurde deutlich, dass diese häufig nur wenige Tage lebten, und dass dies längst nicht alle Gefangenen waren.
Nachdem wir eine kleine Ausstellung in Form eines Museumsblocks sehen konnten, gab es im letzten Raum ein riesiges Buch, indem viele der bisher identifizierten Opfer des Holocaust niedergeschrieben wurden.

Zum Ende der Führung kam es zu einem der emotionalsten Momente des Tages. Die Besichtigung der Gaskammer mit Krematorium I. In diesem Gebäude ist es sehr wichtig, um Respekt an die Opfer zu zeigen, nicht zu sprechen. Nachdem wir alle etwas überwältigt von all den emotionalen Eindrücken zurück im Hotel ankamen, war es sehr wichtig, am Abend über das Gesehene zu sprechen. Also versammelten wir uns nach dem Abendessen mit der gesamten Gruppe und sprachen über unsere Gefühle und Gedanken.

 

Donnerstag - Vernichtungslager Auschwitz und Workshops

gdsf22 6Der letzte Tag startete für uns wieder früh in Richtung Auschwitz-Birkenau, dem Vernichtungslager.
Uns war allen bewusst, dass dieser Tag nicht leicht werden würde und so kamen wir etwas angespannt dort an.
Schon bei der Ankunft und beim Treffen mit der Guide, die uns bereits am Vortag begleitete, konnten wir einen Blick auf das berühmte Tor mit den Gleisen werfen.
Bereits dort gab es die ersten Gänsehautmomente des Tages, denn dort wurde uns erstmalig bewusst, wie groß das Lager eigentlich ist. Weiter ging es zur Rampe mit einem erhaltenen Wagon. In diesem kleinen Wagon kamen die Gefangenen damals mit ungefähr 90 Personen, wobei kein Platz zum Sitzen oder Liegen blieb, an. Auf der Rampe wurde dann die Selektion durchgeführt.gdsf22 7

Für uns ging es von dort weiter nach links, den „Weg den man nur einmal geht“. Spätestens dann wurde uns allen bewusst, wie grausam und menschenunwürdig die Häftlinge dort behandelt wurden. Am Ende des Weges befinden sich die Ruinen des Krematorium II und III mit einem riesigen Mahnmal in der Mitte.
Als wir uns für eine kurze Pause auf die Treppe setzten, war dies für jeden von uns ein sehr emotionaler Moment. Wir haben uns alle etwas Zeit für uns genommen und keiner hat gesprochen, da uns vor allem am Mahnmal deutlich wurde, welche Ausmaße die Vernichtung der Juden angenommen hatte und zu was ein Mensch überhaupt fähig sein muss, um Menschen so ein schreckliches Leid anzutun.

Nachdem wir uns alle wieder etwas gefasst hatten, ging es einen sehr langen Weg weiter, bis hin zur „Zentralsauna“. Dort kamen alle hin, die nicht sofort zum Tode verurteilt wurden, sondern noch arbeiten konnten. Dort fand der Prozess des Haarschneidens und der Desinfektion statt, aber auch die Nummern wurden dort auf eine menschenunwürdige Weise verteilt - es war also der Ort, an dem die Gefangenen ihren Wert als Mensch verloren haben.

Danach ging es für uns weiter bis zum Krematorium IV und V. Dort befand sich auch der Scheiterhaufen, auf dem die vergasten Juden verbrannt wurden, wenn die Öfen nicht ausreichten. Aber was uns alle wahrscheinlich am meisten schockierte - es gab dort einen Teich, der sehr idyllisch aussah, aber als wir erfuhren, dass sich in diesem die Asche der Opfer befand, bekam sicherlich auch der letzte von uns Gänsehaut. An diesem Ort fand unser stilles Gedenken statt und jeder von uns konnte eine Rose niederlegen. Unserer Guide füllte die Führung auch mit Erfahrungsberichten von Überlebenden, was vielen von uns sehr nahe ging.

Vom Krematorium IV und V aus, ging es für uns zurück zum Eingang, um dort eine der erhaltenen Baracken zu besichtigen. Dort sah man die unmenschlichen Verhältnisse, in denen die Gefangenen leben mussten. Teilweise mit über 1000 Menschen in einer Baracke, mit Waschräumen, aber ohne Toiletten. Nachdem wir alle sehr schockiert und emotional möglicherweise auch etwas überfordert zurück zum Bus gingen, hatten wir zunächst eine kurze Mittagspause. Am Nachmittag ging es dann für uns zu einem Bildungszentrum, wo wir in zwei Gruppen an Workshops teilnahmen. Die eine Gruppe beschäftigte sich mit Musik und Orchester im Lager und die andere mit den Individuen in der Lagerrealität.

Nachdem wir alle Programmpunkte des Tages durchlaufen hatten, ging es für uns zurück ins Hotel.
Nach dem Abendessen haben wir uns, wie am Vorabend alle gemeinsam zusammengesetzt und über unsere Gedanken und Gefühle gesprochen. Außerdem hat jeder gesagt, was ihn auf der Fahrt am meisten berührt oder auch schockiert hat. Dieses Treffen war für uns alle sehr wichtig, damit wir alle Erlebnisse verarbeiten können und auch wissen, dass es uns allen irgendwie gleich geht und uns belasten darf. Somit endete der letzte ereignisreiche Abend vor der Rückreise zurück nach Deutschland und einige haben sich auch nach dem gemeinsamen Treffen noch in Gruppen über alles Erlebte zusammengesetzt und unterhalten.

 

Autorin: Amelie Braun, Klasse 12
Redaktion: K. Baganz und P. Gramstat